Süddeutsche Zeitung
Interview von Stephanie Schwaderer, Schäftlarn/Geretsried
Uraufführung beim Pipapo-Festival
„Der Wunsch, dass es weitergeht, immer weiter“
Die Schäftlarner Schauspielerin Sonja Beck führt erstmals ihr autobiografisch geprägtes Solo-Stück „Schichten - nichts als Schichten" auf. Es handelt von Emanzipation und einem Wellensittich namens Hansi, von den ganz großen und von den ungelebten Träumen.
Die gebürtige Regensburgerin Sonja Beck lebt seit 2017 in Schäftlarn. Als Schauspielerin steht sie seit mehr als 30 Jahren auf der Bühne, ihre erste Filmrolle übernahm sie 1998 in der Serie „Der Bulle von Tölz". Nun hat sie zusammen mit dem Regisseur Stefan Kastner ihr zweites Solo-Stück „Schichten - nichts als Schichten" konzipiert. Uraufführung ist am Donnerstag, 28. November, beim Pipapo-Festival in Gelting.
SZ: Frau Beck, Sie spielen in Ihrem neuen Stück Susanne, die berühmt werden will und gegen den Willen ihrer Mutter eine Karriere als Schauspielerin einschlägt. Wieviel Sonja steckt in Susanne?
Sonja Beck: Meine Biografie ist die treibende Kraft der Geschichte. Ich bin tatsächlich wie meine Bühnenfigur im Regensburger Stadtteil Großprüfening aufgewachsen mit einer resoluten Mutter, die wollte, dass ich Versicherungskauffrau werde - etwas Anständiges. Das war eine Zeit, in der man noch Stenografie und Schreibmaschine gelernt hat. Ich habe eine Haushaltsschule für Mädchen besucht. Und natürlich hatte ich dann als Schauspielerin immer den Wunsch, dass es weitergeht, immer weiter, weg von den Eltern, weg aus der Enge Regensburgs.
SZ: An welcher Stelle kommt die Fiktion ins Spiel?
Sonja Beck: Mit Capri, einem Sehnsuchtsort, von dem in den Sechziger- und Siebzigerjahren alle Leute geträumt haben - auch meine Mutter. Susanne lernt auf Capri den Drehbuchautor Jerry kennen, der ihr eine große Rolle in einer Hollywood-Neuverfilmung anbietet. Dafür haben wir uns von dem Film „Die Verachtung" von Jean-Luc Godard aus dem Jahr 1963 inspirieren lassen, mit Brigitte Bardot und Michel Piccoli in den Hauptrollen. Das ist der Moment, in dem Susanne denkt, dass sie ganz groß herauskommen wird.
SZ: Welche Schichten tragen Sie im Laufe der Geschichte ab? Wie viele Jahre vergehen?
Sonja Beck: Es beginnt mit einem Weihnachtsgeschenk für die zwölfjährige Susanne, die nicht das bekommt, was sie sich gewünscht hat. Und am Ende sitzt da eine nicht mehr junge Frau, die alles verloren hat, aber gereift ist. Eine Frau, die ihre Freiheit gefunden hat.
SZ: Sie spielen nicht nur Susanne, sondern auch deren Mutter. Ist das dann auch Ihre Mutter?
Sonja Beck: Ganz reduziert. Ich übernehme ihre Sprache, das Bairische, ihre Stimme. Meine Eltern sind tot, deshalb ist es möglich, auf der Bühne aus einer Distanz heraus über Dinge zu sprechen, die für sie und die damalige Zeit bestimmend waren.
SZ: Spielen Sie sie liebevoll?
Sonja Beck: Einerseits ja. Auf der anderen Seite ist es aber eine Mutter, die nicht will, dass ihre Tochter als Schauspielerin Karriere macht. Und zwar, weil sie selbst gefangen ist, gefangen in sich selber. Das zeigt sich auch darin, dass ihr eigentlicher Partner nicht ihr Mann, der Vati, sondern ein Wellensittich, der Hansi, ist. Da gibt es ein paar skurrile Szenen. Das Stück hat bairischen Witz und erzählt zugleich eine tragische Geschichte. Aber am Ende überwiegt die Leichtigkeit.
SZ: Das Entblättern geht also auch mit einer Befreiung einher?
Sonja Beck: Genau. Das spiegelt sich auch in der Figur der Monika Mann, die wir im Stück aufscheinen las sen. Sie hat auf Capri gelebt. Ihre Suche nach Befreiung, nach Kreativität, die sie in ihrem Elternhaus nicht leben konnte, die Frage, wer bin ich - all das sind Parallelen, die wir aufzeigen.